Lesezeiten für nominale/ präpositionale Wortgruppen und Teil-Ganzes-Komposita im Vergleich - Simulierte Längsschnittstudie mittels self-paced reading in Jg. 2 und 4
Projekt - Fak. 2 - Deutsch (mit Sprecherziehung)
Status:abgeschlossen
Kurzinhalt:Das Projekt testet die Verarbeitungszeiten von semantischen Teil-Ganzen-Konstruktionen in einem self-paced reading Experiment in den Klassen 2 und 4 der Primarstufe. Dargeboten werden unter Kontrolle spezifischer frequenzbasierter, morphosyntaktischer und prosodischer Bedingungen N-N-Determinativkomposita der Art „Apfelkern", Nominalphrasen mit Genitivattribuierung wie "Kern des Apfels" und von-Präpositionalphrasen wie "Kern vom Apfel", um zu testen, welche davon kürzere Lesezeiten erzielen. Eingebettet werden die Items in strukturell gleichförmige V2-Satzkontexte mit einfacher Vorfeldbesetzung (Framesetter/Circumstances), semantisch bedeutungsarmer linker Verbklammer (Kopula-/Hilfs-, Halbmodal-, Modalverben bzw. nicht primende semantisch unterspezifizierte Verben), und zweifacher Mittelfeldbesetzung (Zielitem XP)., wobei das Zielitem adjazent der linken Verbalklammer folgt und stets die Subjektfunktion innehat, z.B. „Von außen ist der Apfelkern/Kern des Apfels/der Kern vom Apfel braun“.

Impulsgebend sind Empfehlungen der Leichte-Sprach-Praxis, nach der einfache Komposita lizenziert sind und Genitivkonstruktionen zumindest höhere Leseanforderungen an leseschwache Leser/innen stellen als entsprechende Pendants mit von-Phrasierung. Zusammen mit Annahmen der performance-driven grammar (Hawkins, 2004) wie dem Minimimize Domains Principle ergäbe sich für erwachsene Leser/innen eine Schwierigkeitshierarchie, nach der einfache Komposita schneller gelesen würden als von-Phrasen (Mesch, i. Vorb.) und diese wiederum schneller als entsprechende Genitiv-Phrasen (H1):

H1 Komposition > von-Phrase > Genitiv-Phrase

Für Leseanfänger jedoch könnte sich die Abfolge teilweise umkehren, insofern kleinere Leseeinheiten das lexikalische Parsing erleichterten (H2):

H2 Komposition (< Genitiv-Phrase?) < von-Phrase

Insgesamt erhofft man sich mit der Studie ansatzweise eine empirische Evaluierung der bisher ohne entsprechende datenbasierte Fundierung ausgesprochenen Empfehlungen für die Leichte-Sprache-Praxis im Umgang mit Komposita-, Genitiv- und von-Konstruktionen (vgl. Pappert/Bock (i. Vorb.)).



Literatur

Hawkins, John A. (2004): Efficiency and complexity in grammars. Oxford: Oxford University Press.

Mesch, Birgit (i. Vorb.): Ontogenese des Leerzeichens – Erwerb der Getrennt- und Zusammenschreibung in Primar- und Sekundarstufe I. Ms.

Pappert, Sandra / Bock, Bettina M. (10/2019). The issue of compound segmentation for poor readers of German. International Workshop on Reading and Developmental Dyslexia, San Sebastián.

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Projektdauer:24.01.2019 bis 29.02.2020
Projektbeteiligte:
Prof. Dr. Mesch, Birgit (Leitung) [Profil]


In Zusammenarbeit mit:PD. Dr. Sandra Pappert (IDF, Uni Heidelberg)
Verweis auf Webseiten:
Projekthomepage
MeschB
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Angehängte Dateien:
Komposita und komplexe Nominalphrasen im Leseerwerb. Videopräsentation auf SLLD-Tagung in Bochum (Sektion Sprachreflexion) vom 15. bis 30.05.2020 (zusammen mit PD Dr. Sandra Pappert, Uni Heidelberg).
Erfasst von Prof. Dr. Birgit Mesch am 20.08.2019
Zuletzt geändert von Prof. Dr. Birgit Mesch am 21.08.2019
    
Projekt-ID:684